Die Pilze kommen

    • Meine Arbeitsweise

      Hallo Hubert,
      danke für deinen Kommentar. Es freut mich zu hören, dass die Bilder bei dir Gefallen finden. Die Aufnahmetechnik kann ich gerne noch mal erläutern. In irgendeinem alten Thread hatte ich das glaube ich schon mal getan, aber den habe ich auf die schnelle auch nicht wiedergefunden.

      Zur Aufnahmetechnik:

      • Ich fotografiere stets im manuellen Modus. So kann ich sicherstellen, dass alle Bilder gleich belichtet sind, was für dass Stacking entscheidend ist.
      • Das fotografieren vom Stativ ist Pflicht! Abgesehen davon, dass man meiner Meinung nach nur so der beste Bildausschnitt gefunden werden kann, stellt man sicher, das alle Einzelbilder korrekt ausgerichtet sind und es beim Stacking nicht zu Problemen kommt. Außerdem lege ich auf beste Bildqualität wert und dank Stativ brauche ich mir um Verwacklungsunschärfen keine Gedanken machen und fotografiere stets mit ISO 100
      • Je weniger Bilder man macht, desto einfacher ist das Stacking. Deshalb empfiehlt sich natürlich das Abblenden. Allerdings lege ich auf eine schöne Hintergrundausflösung wert, was bei dem Gewusel auf dem Waldboden nicht einfach ist. Darum fotografiere ich mit großen Blendenöffnungen, was im Makrobereich ja eher unüblich ist. Meist vewende ich Blendenwerte zwischen 4,0 und 5,6. Aufgrund der geringen [lexicon]Schärfentiefe[/lexicon] muss ich damit natürlich entsprechend mehr Bilder machen.
      • Ich nutze Liveview und den 10 Sekunden Selbstauslöser. Ein Fernauslöser wäre zwar besser, aber mein Equipment ist so stabil und standsicher, dass es auch mit dem normalen Auslöser geht.
      • Für die erste Aufnahme stelle ich (natürlich manuell) auf den vordersten Teil des Pilzes scharf. Für alle weiteren Bilder wird das Objektiv nicht mehr angefasst. Ich verlagere die Schärfeebene, indem ich mittels Einstellschlitten Kamera und Objektiv dichter an den Pilz herranrücke. Für jedes weitere Bild wird also die Kamera dichter an das Motiv herangerückt. Wie weit man die Kamera zwischen den Aufnahmen heranrücken muss, hängt von der [lexicon]Schärfentiefe[/lexicon] ab. Die [lexicon]Schärfentiefe[/lexicon] ist wiederum vom [lexicon]Abbildungsmaßstab[/lexicon] und der Blende (aber nicht von der Brennweite!!!) abhängig. Da ich Kleinbildformat und große Blendenöffnungen verwende und der [lexicon]Abbildungsmaßstab[/lexicon] auch recht hoch ist, ist die [lexicon]Schärfentiefe[/lexicon] sehr gering. Zum Teil mache ich etwa alle 2 mm ein Bild. Stellenweise reicht es aber auch, jeden cm eine Aufnahme zu machen. Die Abhängigkeit habe ich ja zuvor erläutert. Auch hier hilft Liveview ungemein!


      Licht und andere Vorbereitungen:

      • Ein nicht zu unterschätzender Aufwand aber ein wirklich entscheidender Schritt ist es, den Waldboden aufzuräumen! Ich entferne alles störende wie Grashalme und umherliegende Äste in einem großen Bereich vor und hinter dem Motiv. Ihr glaubt nicht wie ein kleiner Grashalm oder Ast, der z.B. 40 cm hinter dem Motiv steht, das Bokeh eines Bildes versauen kann. Gerade durch die hohe Hintergrundauflösung meines 150 mm Telemakros, wird dieses kleine störende Element ganz groß aufgeblasen. Manche Leute gehen sogar her und entfernen kleine Tannennadeln vor dem Pilz mit einer Pinzette, aber soweit gehe ich nicht. Es ist ja immer noch Natur und so rupfe ich nur das weg, was wirklich störend ist.
      • Ich beleuchte meine Motive bis auf wenige Ausnahmen nur mit natürlichem Licht. Dazu habe ich mir aus einer Rettungsdecke und Pappe Goldreflektoren gebaut, mit denen ich warmes Licht auf den Schaft und die Unterseite des Pilzhutes reflektiere.
      • Gelegentlich nutze ich einen Faltdiffusor, um helle Glanzlichter auf der Oberseite des Pilzes zu unterdrücken. Eigentlich müsste man das so gut wie immer machen, aber meine Diffusoren sind alle recht groß und stellenweise nehmen sie dann meinen Reflektoren das Licht, was auch wieder Kontraproduktiv ist. Deshalb werde ich mir hierfür für die nächste Saisson noch eine bessere Lösung einfallen lassen. Wenn ich keinen kleinen Diffusor bekomme, bastel ich mir was. Ideen habe ich genug. :wink_1:


      Nachbearbeitung:
      • Ich importiere meine RAWs in Aperture (sowas ähnliches wie Adobe Lightroom von Apple). Darin entwickele ich ein Raw aus einer Serie (Weißabgleich etc.) und wende die Anpassungen dann auf alle anderen Bilder der Serie an.
      • Anschließend exportiere ich die Einzelbilder aus meiner Datenbank als 8-Bit Tiff, um sie mit der Stackingsoftware bearbeiten zu können.
      • Für das Stacking der Einzelbilder nutze ich CombineZM. Das ist eine kostenlose Software, die es allerdings nur für Windows gibt. Da ich einen Mac verwende, habe ich darauf ein virtuelles System mit WindowsXP installiert, worin ich CombineZM verwende. Mittlerweile gibt es wahrscheinlich schon eine viel aktuellere Version davon, aber die, die ich installiert habe, macht auch was sie soll. Man muss nur die Einzelbilder öffnen und anschließend sagen, dass sie gestackt werden sollen. Das dauert dann eine Weile, aber anschließend hat man ein Bild mit durchgehender [lexicon]Schärfentiefe[/lexicon]. Dies speichere ich dann wieder als Tiff, um es anschließend wieder in meine Aperture Datenbank zu importieren.
      • Den abschließenden "Feinschliff" bekommt das Bild dann vom mir in Photoshop CS3 verpasst. Hier mache ich dann noch selektive Anpassungen, aber das kennt ihr ja.
      • Anmerkung: Als Photoshop CS5 veröffentlich wurde habe ich im Datenblatt gelesen, dass CS5 nun auch das Fokusstacking beherrscht. Trotzdem habe ich es nicht gekauft, da mir eigentlich CS3 reicht. Das war ja auch teuer genug (auch als Studentenversion). Vielleicht werde ich auf CS6 upgraden, wenn es erscheint, aber bis dahin bleibe ich bei meinem Workflow.


      So, ich denke ihr könnt euch jetzt ein gutes Bild davon machen, wie meine Pilzfotos entstehen. Wie ihr seht, ist einiges an Planung, Vorbereitung und Präzision erforderlich. Nachdem ich ein Motiv gefunden habe, bin ich nicht selten 20 Minuten beschäftigt, bevor ich das erste Mal den Auslöser betätige. Zusätzlich beobachte ich wie bei meiner Landschaftsfotografie den Sonnenstand und die Umgebung, um mir das Sujet bei unterschiedlichen Lichtstimmungen vorzustellen, die in nächster Zeit oder zu einer völlig anderen Tageszeit eintreten können. Die Lichtstimmung in Beitrag 38 habe ich beispielsweise knapp 70 Minuten vorher vorhergesehen und solange mit der Aufnahme gewartet. In der Zeit habe ich die Gegend nach weiteren Motiven ausgekundschaftet. All das macht für mich persönlich den Unterschied zwischen Fotografie und "Knippserei" aus.

      Abschließen möchte ich den Beitrag mit einem Beispiel, indem ich ich veranschaulichen möchte, warum ich mit großen Blenden fotografiere. Das Bild habe ich nur zu diesen Zweck aufgenommen, weil ich mir dachte, dass die Frage hier mal kommt. Es zeigt mein Motiv aus Beitrag 38. Ich habe das Bild mal auf "konventionelle" Art und Weise aufgenommen, indem ich maximal Abgeblendet habe, um größtmögliche Shärfentiefe zu erhalten. Obwohl diese bei Blende 22 kaum vom vorderen Teil des Hutes bis zum Schaft reicht, wird der Vordergrund und Hintergrund völlig zerstört. Von Bokeh kann man meiner Meinung nach da nicht mehr sprechen. Okay, ich habe das Bild etwa eine Minute vor Eintritt der optimalen Lichtstimmung aufgenommen, was es noch etwas unschöner erscheinen lässt, aber darum geht es hier ja nicht. Seht einfach selbst:

      Maximal abgeblendet; ein Bild bei Blende 22:

      [IMG:http://highland-arts.de/webstore/Pilz_abgeblendet.jpg]

      Stack aus 14 Einzelbilder bei Blende 4,5:

      [IMG:http://highland-arts.de/webstore/Stack_MG_3762_R.jpg]

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Toby ()

    • Hallo,
      vielen Dank für diese ausführliche Beschreibung der Bearbeitung!
      Und bei diesen Ergebnissen ist Sie es wert!
      Trau mich gar nicht hier mal einen Versuch von mir zu zeigen, aber sieht man schön wieso Stacking!
      Habe eingemessen auf den Vorderen Rand des Hutes, bei einem Abstand von knapp 20cm und Blende8 sieht man doch wie schmal die Schärfeebene ist!
      Gruß Rolf
      Bilder
      • Sina (1 von 1)-9.jpg

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      Gruß aus dem Westerwald!
      Rolf D.
      rd-pictures.fotograf.de
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      EOS R, EOS R6, EOS R7, EOS M50 MKII, EF 70-200 2.8 MKII, Sigma 120-300-2.8 Sport, Sigma 50-100 DC 1.8 Art, Tamron 35 1.8, Samyang 85 1.4 RF, RF 50 1.8, Tamron 24-70 2.8 G2
      noch ein wenig Blitzmaterial Stative und diversen Kleinkram

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von geidan2405 ()

    • Hallo Toby,
      auch mal eine kurze Wortmeldung von mir.
      Die Bilder sind wirklich ganz große Klasse, du hast einfach Talent und das Auge, echt Hammer, da kann man schon ein wenig neidisch werden.
      Wobei neidisch jetzt nicht negativ oder mißgünstig gemeint ist.
      Ich hoffe das du ein Lob schon von jemand an nimmst der nicht auf gleicher Höhe agiert. :crying_1:
      Gruß Hartmut

      Achja, und vielen Dank für deine ausführliche Schilderung des Vorgehens und des Stackings.
      Diese Beiträge können jedem wirklich weiterhelfen.
      Leben kann man nur vorwärts - Es verstehen nur rückwärts ! :thumbsup_1:

      Unbedingt ansehen : ridgeback-foto.de/

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    • Hallo Hartmut,
      auch dir danke ich für deinen Beitrag. Was ich mit dem "Kritk auf Augenhöhe" war auf die Erfahrung bezogen, dass im Inernet oftmals salopp formulierte negative Äußerungen erbracht werden, welche mit wenig fundamentaler Kritik beinhaltet sind. Die kommen dann in der Regel von Leuten, die fast keine Beiträge verfassen und überhaupt kein eigenes Bildmaterial zeigen. Beispiele dafür gibt's überall; natürlich auch hier. Sowas hilft niemandem und je nach Gemüt des Betroffenen, nimmt es ihm/ihr am Ende noch den Spaß am Hobby oder am Zeigen der eigenen Bilder. Da ich ein dickes Fell habe meinte ich, dass ich mir negative Kritik am ehesten zu Herzen nehme, wenn sie von jemandem kommt, der mir auch anhand eigener Beispiele belegt, wie man's besser macht. Ich denke das ist doch menschlich, oder?

      Heute zeige ich wahrscheinlich das0 letzte Pilzbild für einen längeren Zeitraum. Ich denke die Saisson geht langsam zu Ende und nun zum Herbst, werde ich mich wieder mehr auf Landschaft konzentrieren. Dafür gibt's zum Abschluss aber ein wie ich Finde sehr schönes Bild. Vielleicht finde ich es aber auch nur so schön, weil ich so viele Tage nach einem solchen Motiv gesucht habe. Letztden Endes hat es dann mein schatz gefunden, als ich das vorherige BIld gemacht habe. Da der Pilz und der Stamm scon recht groß waren, brachte ich mit dem 150 mm Objekt etwas Abstand. So musste ich den Waldboden gute 1,5 m vor und hinter dem Motiv aufräumen. Es ist wirklich schade, dass man bei der Ausgabegröße die Details nicht sehen kann.

      [IMG:http://highland-arts.de/webstore/Stack_MG_3813.jpg]
    • Hallo Toby,
      dein letztes Bild ist mal wieder perfekt. Super Schärfe, wunderbares Bokeh und ein tolles Licht.
      Ich würde mir bei einem Pilz zwar niemals solch eine Arbeit machen, aber deine Ergebnisse könnten einen schon dazu verleiten.

      Noch zu deiner Antwort; Mit dem Besser machen sehe ich etwas anders.
      Ich würde hören wenn einer falsche Töne am Klavier spielt, aber spielen kann ich trotzdem nicht.
      Du bist fotografisch sicher einer der besten hier im Forum, aber wenn du das so schreibst traut man sich
      ja kaum was zu deinen Bildern zu sagen, ohne das jetzt böse zu meinen.

      Freue mich auf jeden Fall schon sehr auf Landschaftbilder, da hab ich mehr Bezug zu als zu Pilzen.
      Leben kann man nur vorwärts - Es verstehen nur rückwärts ! :thumbsup_1:

      Unbedingt ansehen : ridgeback-foto.de/

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    • Hallo Zusammen,
      Hallo Toby,
      schade dass das eben dein vorerst letzter Pilz war.
      Einfach klasse Bilder. Ich werde mich in Zukunft mal etwas mehr mir der Makrofotografie befassen. Insbesonders mit der dazu passenden Ausrüstung.

      Heute war ich nochmal auf der Suche nach den Eisvögel. Aber leider machen sie sich im Moment ziemlich rar.

      Dafür habe ich aber Pilze gefunden und mal mein Glück versucht.
      Das erste Bild konnte ich nur mit meinem 300er machen, da ich nichts anderes dabei hatte.
      Auch das zweite Foto ist damit gemacht. Da ich den aber Zuhause im Garten gefunden habe, konnte ich mein 100er Makro anschrauben.
      Ein direkter Vergleich ist so möglich.



      Gruß
      Rolf
      Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden. (Franz Kafka)